SALTO familiale
Was für ein Zirkus! Gemeinsam mit seinem Sohn Gregory
arbeitet der Kunstmaler Rolf Knie an einem fantastischen
Winterspektakel.
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Herrrrrrreinspaziert:
Rolf und Gregory Knie laden vom 29.November 2002 bis
5.Januar 2003 zu einem Megaspektakel.
Bild Elisabeth Sutter |
Lautes Lachen dringt aus den Kellerräumen eines Hauses am
Eingang zum Toggenburg. Das Gelächter kommt aus den Kehlen von
Kunstmaler und Zirkusprofi Rolf Knie (52) und seinem 24-jährigen
Sohn Gregory. Die beiden sind im unterirdischen Atelier des
Künstlers und stecken mitten in einer Show - einer Show, die in
neun Monaten in Zürich aufgeführt werden wird.
Vater und Sohn arbeiten an «Chamäleon», einem märchenhaften
artistischen Megaspektakel der Produktionsgesellschaft «Salto
Natale». Der Senior hat dem Junior die Chance geboten, als
Binde-glied zwischen künstlerischer Leitung und Administration
mitzuarbeiten. Für Gregory ist das eine Herausforderung. Er hat
erst vor knapp einem Jahr am Rollins-College von Orlando (USA)
seinen Abschluss in «International Business» gemacht und danach
in Costa Rica in einer Verarbeitungsfabrik für Macadamia-Nüsse
einen Stage absolviert.
Der Zirkus hat sie wieder
Auch wenn das Duo lacht, es ist sehr ernsthaft und
konzentriert bei der Arbeit. Heckt neue Ideen für Fantasiewesen
aus, korrigiert Entwürfe, hirnt über Materialien und Farben.
«Ich bin im Job ein Pedant, der bei Halbheiten kein Erbarmen
kennt», gesteht Rolf Knie. Gregory schaut den Vater wissend an -
und entwaffnet ihn mit seinem einnehmenden Lächeln.
Der Papa und sein Filius kehren mit dem Projekt «Chamäleon»
zu ihren Wurzeln zurück, dem Zirkus. Vor 19 Jahren standen sie
beide zum letzten Mal in der Manege des Familienunternehmens
Knie. Rolf als Clown und der 5-jährige Gregory als süsser Peter
Pan auf zwei Ponys.
Inzwischen ist der kleine Gregory 1,83 Meter gross, und sein
Vater hat den Grossteil seines Haupthaares verloren. Doch der
Zirkus bleibt beiden im Blut. «Sobald ich dieses unnachahmliche
Duftgemisch aus Sägemehl, Tierschweiss und Popcorn rieche, fühle
ich mich zu Hause», sagt der 24-jährige Sonnyboy.
Trägt er sich etwa mit dem Gedanken an eine Zukunft im
Zirkus? «Als Artist wohl kaum», antwortet Gregory. «Da müsste
ich zu viele Flic-flacs üben. Ich will jetzt erst mal sehen, wie
mir die Zirkusarbeit überhaupt liegt.»
«Chamäleon» ist Weltklasse
«Chamäleon» ist eine echte Grossproduktion. Gregory muss in
Deutschland, Frankreich, Kanada und in der Ukraine mit
Choreografen und Lichtdesignern verhandeln, ist für Budget,
Marketing und Medien zuständig. Sein Vater ist Ideenlieferant
und entwirft das Dekor. Der Circus Knie stellt für die Show Zelt
und Know-how zur Verfügung, und selbst Weltstars arbeiten mit.
So ist Guy Caron, der Miterfinder des «Cirque du Soleil»,
Mitproduzent der Show und wird Regie führen. Designer Michael
Curry, der unter anderem für die Eröffnungszeremonie der
Olympischen Spiele in Salt Lake City die Figuren kreiert hat,
wird die Kostüme entwerfen.
Verpackte Weisheit
«Wenn du du selber bist, wirst du deinen Weg immer finden.»
Das ist die Kernaussage der 135-minütigen Knie-Show um einen
farblosen Typen namens Frisco, der erst durch einen blinden
Geschichtenerzähler die Lust am Leben entdeckt. Eine Weisheit,
die Rolf und Gregory Knie imponiert.
Die gemeinsame Arbeit schweisst Vater und Sohn, die sich
äusserlich ähnlich sind, noch enger zusammen. Sind die beiden
auch im Charakter gleich? «Ich lasse mich ungern von meinen
Visionen abbringen und kann stur sein, wenn ich etwas
durchsetzen will», sagt Rolf Knie, der im Horoskop ein Löwe ist.
«Ich lasse mich aber auch leicht von einem besseren Vorschlag
überzeugen.» Und: «Ich hasse Unzuverlässigkeit.»
Gregory, der Waage-Geborene, bezeichnet sich selbst als
stimmungsabhängigen Träumer, aber auch als ein Mensch, der sich
durchsetzen kann. «Er hat viel Potenzial», attestiert ihm der
Vater. «Dieses muss er nur richtig ausschöpfen. Und das geht nur
über Disziplin. Nur so wird ihm die kreative und träumerische
Art nicht zum Verhängnis.»
Die eiserne Disziplin des Papa ringt Gregory grosse
Bewunderung ab. Fasziniert ist er auch vom väterlichen
Erfindergeist und dessen Fähigkeit zu motivieren.
Harmonie der Generationen
Gefühlsbetont sind sie beide - Rolf und Gregory Knie. Und
beide lachen oft und gern. Der Sohn hats schon als Baby vom
Vater gelernt. Der raste einst direkt aus der Zirkusvorstellung
im Clown-Kostüm ins Spital, als Gregory vor gut 25 Jahren zur
Welt kam. «Ich lachte ÐMuppetð auch später immer an, wenn ich
ihn im Arm hielt», sagt Rolf Knie. Muppet? «Ja, Muppet. Ich habe
Gregory diesen Übernamen gegeben, weil er als Baby aussah wie
der Frosch Kermit aus der mittlerweile legendären Fernsehshow.»
Muppet hört gelassen zu. Der Übername kann ihn nicht kratzen.
Er weiss, dass er längst zu einem Beau herangewachsen ist. Und
dass der Vater ihn respektiert und umgekehrt. Gregory sagt: «Wir
mögen manchmal zwar andere Ideen und andere Vorstellungen haben,
aber wir kennen kein Generationenproblem.»
Schön ist sie, die Welt des Zirkus, in der Sein und Schein
ineinander verschmelzen.
Elisabeth Sutter |